Manuelle Intelligenz für Roboter

Veröffentlicht am 8. November 2024 um 11:20

Von Ralf Keuper 

Häufig beschränkt sich die Diskussion über die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz darauf, die Funktionen des menschlichen Gehirns zu simulieren. Dabei geht die Bedeutung der Hand als Werkzeug des Geistes unter.

Einer der Orte, an denen daran gearbeitet wird, Roboter mit Manueller Intelligenz auszustatten, ist das Forschungsinstitut für Kognition und Robotik (CoR-Lab) an der Universität Bielefeld, das der Verfasser bereits vor einigen Jahren besuchte und ein Gespräch mit dem damaligen Leiter, Prof. Dr. Helge Ritter, führte(Spitzenforschung in OWL – Zu Besuch bei Prof. Dr. Helge Ritter im CITEC – Exzellenzcluster an der Universität Bielefeld). 

In ihrer Forschung beschäftigen sich die Bielefelder Wissenschaftler u.a. mit der Frage, inwieweit Roboter in der Lage sind, die manuellen Fähigkeiten der Menschen nachzubilden, Roboter gefühlvoll zu machen. Ritter spricht in dem Zusammenhang von Manueller Intelligenz. In dem Vortrag  Von Bewegung zu Begreifen - Manuelle Intelligenz für Roboter (Audio-Aufzeichnung: http://www.awhamburg.de/fileadmin/redakteure/Podcasts/2013-04-11_Ritter.mp3) erläutert Prof. Dr. Ritter die Herausforderungen, mit denen die Robotik bei dem Versuch konfrontiert ist, die komplexen Koordinationsvorgänge der menschlichen Hand auf Roboter zu übertragen. Was für uns mehr oder weniger selbstverständliche Handlungen des Alltags sind, wie das Drehen eines Türknaufs, das Falten von Papier oder das Öffnen einer Flasche mit Drehverschluss, ist für einen Roboter eine enorme Herausforderung. Wie bekommen wir die Greifmannigfaltigkeit des Menschen in den Roboter? Wie kann ein Roboter die bimanuale Koordination anthropomorpher Hände simulieren?

Ein Weg führt über die Mustererkennung und die Bildung von Kategorien. Dabei werden u.a. Computersehsysteme, Tastsensoren (Taktile Erkennung von Objekten) und Bewegungstracking eingesetzt. Mit der Zeit, in fortlaufenden Tests, verfeinert der Roboter seine Fähigkeiten. Selbst der Mensch kann in seinem Leben die Greifmannigfaltigkeit, die ihm biologisch mitgegeben ist, nicht ausschöpfen, d.h. die Kombinationsmöglichkeiten, die mit den 20 Bewegungsfreiheitsgraden und drei möglichen Stellungen (Gelenkwinkeln) der Hand gegeben sind, können wir während unseres Lebens nicht ausprobieren. Wir realisieren nur eine geringe Teilmenge der Möglichkeiten. So auch der Roboter, wenngleich - derzeit jedenfalls - in deutlichem geringerem Umfang als der Mensch. Erleichtert wird die Forschung dadurch, dass für Handlungen immer nur ein Teil der Gelenke benötigt wird, der Roboter - prinzipiell - also nicht über alle Kombinationsmöglichkeiten der menschlichen Hand verfügen muss.

Sprache als Greifprozess

Als Werkzeug des Geistes hat die Hand auch einen Einfluss auf unsere Sprache bzw. unseren Sprachgebrauch. Ausdrücke wie "begreifen" oder Redewendungen wie "Er bekommt die Sache in den Griff" oder "Es ist zum Greifen nah", "Es liegt auf der Hand" oder "es ist mit Händen zu greifen" weisen darauf hin. Laut Ritter bekommen wir über Worte Zugriff auf gedankliche Objekte im Gegenüber, die dort Veränderungen, z.B. im Verstehen oder Verhalten, bewirken können. Auf diese Weise leistet die Manuelle Intelligenz, das tiefere Verstehen von Händen, einen Beitrag zum Verständnis von Kognition und Lernen. Begriffe und Verstehen sind in unserem physikalischen Handeln verankert. Hände sind eine Brücke zur Welt. Nicht das Aussehen der Objekte ist entscheidend, sondern das, was man mit ihnen machen kann. Roboter mit manueller Intelligenz ausgestattet können daher auch wichtige Hinweise darauf liefern, wie wir selbst Kategorien während unseres Handelns bilden und wie Kognition und Lernen zusammenhängen. Damit lässt sich die Mensch-Maschine-Interaktion immer weiter verbessern.

TacEx – Simulationsumgebung ermöglicht Roboter mit Fingerspitzengefühl

Auf der Conference on Robot Learning (CoRL) haben Forschende der TU Darmstadt mit TacEx nun eine innovative Lösung vorgestellt, wie man Roboter mit Fingerspitzengefühl ausstatten kann. "Es handelt sich dabei um einen zuverlässigen und genauen modularen Simulator für taktile Sensoren von GelSight. Simulationen sind vielversprechend für das Training von Robotern. Die Maschinen lernen dabei durch simulierte Situationen, in denen sie verschiedene Aufgaben lösen, für ihren Einsatz in der realen Welt. Das innovative Framework aus Darmstadt ermöglicht den Einsatz von GelSight Mini Sensoren für Reinforcement Learning. Im Rahmen der Simulation erfüllen die Roboter verschiedene Manipulationsaufgaben und können dadurch ihre Feinmotorik trainieren"(Maschinen mit Fingerspitzengefühl: präsentiert neue Erkenntnisse auf der Conference on Robot Learning).

Moravecsches Paradox

Bis zum heutigen Tag, ist das sog. Moravechsches Paradox gültig, wonach es vergleichsweise einfach ist, Computer dazu zu bringen, "Leistungen auf Erwachsenenniveau bei Intelligenztests oder beim Dame spielen zu erbringen, und schwierig oder unmöglich, ihnen die Fähigkeiten eines Einjährigen bei Wahrnehmung und Mobilität zu vermitteln. ... Auch künstliche neuronale Netze scheitern am Moravecschen Paradox"

 

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